Geben und Nehmen oder vom Ausgleich,

ein systemischer Blickwinkel

 

Immer wieder höre oder lese ich vom Geben und Nehmen. Auch in meiner Arbeit als Aufstellerin ist Geben und Nehmen von Bedeutung, weil damit etwas ausgeglichen wird. Zum Beispiel wollen manchmal Menschen eine unbewusste Schuld ausgleichen. Ein typischer Satz dazu: „Immer bin ich schuld!“

Für mich hat Geben und Nehmen die Funktion einen Ausgleich zu schaffen. Es in eine Balance bringen.

Wobei Systeme, egal ob Familiensystem, Firmensystem oder Denksystem, Körpersystem, meiner Erfahrung nach, ein natürliches Streben nach Ausgleich haben.

z.B. wenn ich viel Sport oder Bewegung mache, ist eine Pause für meinen Körper ein passender Ausgleich.
Im Firmenkontext wird die Leistung mit Geld ausgeglichen. Im partnerschaftlichen Kontext wird durch „Aufgabenteilung“ ein Ausgleich geschaffen.

Wenn ich von Systemen spreche, meine ich in der Hauptsache das Familiensystem als Rahmen und innerhalb dessen, dass Denk-, Werte- und Gefühlssystem, des Einzelnen trainiert werden oder wurden.

Mit all den sich daraus ergebenden Möglichkeiten, Rollen, Strukturen oder Funktionen.
Ich oute mich an dieser Stelle als leidenschaftliche Individualistin, also all das große Wissen, die vielen Theorien, Modelle und Methoden runtergebrochen auf den Einzelnen. Was heißt das für mich als einzelner Mensch mit meiner „Geschichte“, also meinen Erfahrungen und Prägungen und – wenn es dran ist – was kann ich Gutes draus machen und wie mach ich das, damit es sich auch gut anfühlt?

Warum, glaube ich, ist der Ausgleich ein wichtiges Thema innerhalb des Familienstellens oder auch des Aufstellens von anderen Systemen?

Das Ausgleichen zwischen geben und nehmen schafft eine gewisse Ordnung und Balance, eine Struktur innerhalb der Systeme. Ein Balancieren zwischen Werten, Gefühlen und Wahrnehmung ist für mich das Fundament, das es ausgeglichen werden kann. Denn manchmal braucht es für mich ein ausgleichen, ein begleichen, ein angleichen oder ein vergleichen.

Manchmal braucht es ein Zurückgeben, damit ein (An)nehmen möglich wird und dadurch ausgeglichen ist.

 

 

Der 1:1 Ausgleich

D.h, ich gebe etwas und bekomme es 1:1 ausgeglichen, mit dem vollen Wert, den ich dafür haben möchte.

Ein Beispiel: Ein Wunsch entsteht in mir, dass ich Schuhe brauche (voll klischeehaft, ich weiß :-)). Ich geh in ein Geschäft und sehe ein Paar Schuhe, mit einem Preis von xy angeschrieben. Kurz überlege ich: „Sind mir die Schuhe das wert? Ja!“ Und bezahle den vollen Preis. Freue mich über die neuen Schuhe und die Beziehung zwischen mir und dem Schuhgeschäft ist, für den Moment, ausgeglichen und beendet.

Einfach, oder?

Was ist nun, wenn ich abseits von Geld 1:1 ausgleichen möchte? Wenn ich etwas nehmen möchte und dafür etwas geben möchte, das außerhalb von Geldausgleich stattfinden sollte.

Da wird es schon etwas komplexer, weil ich gefordert bin über den Austausch zu sprechen. „Was möchtest du für „XY“ haben?“ Und umgekehrt. Ich möchte jemanden etwas geben und werde gefragt, was ich dafür nehmen möchte?

Ein Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung, als ich begonnen habe Aufstellungen anzubieten, wurde ich immer wieder gefragt: Was kostet eine Aufstellung? Meine Antwort: Gar nichts. Für mich ist es Ausgleich genug, wenn ich Gelegenheit zum Üben habe und mich dadurch verbessern kann.

Zu meinem Lernen damals gehörte auch, zu erforschen, wie manche Leute reagieren. Damals habe begonnen nachzufragen, was ich als Ausgleich geben kann. Ich war oft über die Antworten sehr überrascht. Die häufigste Antwort: „Ahh, passt scho“ oder „Darüber reden wir ein anderes Mal.“ Das andere Mal kam nie. Und jedes Mal blieb etwas zurück, so ein kleines Gefühl von Unbehagen.

Danke

Ein „Danke“ als Ausgleich ist auch sehr mächtig.

Denn herauszufinden, wann ein „Danke“ reicht und wo ist die Grenze. Die Grenze, wo es mehr braucht als ein „Danke“.

Also wieder so eine subjektive Sache, so eine Gspür-Sache.

Über „Danke“ gibt es noch viel mehr zu sagen, dazu bei anderer Gelegenheit mehr.

Als Kinder nehmen wir von den Eltern. Wir lernen, wie die Welt funktioniert, wir lernen über Freude und Wichtigkeiten, die wir in unser Leben als erwachsener Mensch ein Stück weit mitgenommen haben.
Natürlich gibt es da einige Ausnahmen. Wenn, aus welchem Grund auch immer, die Eltern nicht zur Verfügung stehen. Üblicherweise nehmen wir von den Eltern alles was wir brauchen, damit es für uns gut weiter geht und das ist den Eltern Ausgleich genug.

Wenn alles gut läuft zwischen Eltern und Kinder und die Eltern in einem Alter sind, wo sie Unterstützung brauchen, kann ich Unterstützung anbieten so wie es als Tochter oder Sohn gemäß ist.

Weitergeben, weiterleiten

Es gibt auch Gelegenheiten, wo ich viel nehme von Menschen, die mir geben und ich nicht direkt ausgleichen kann und konnte, z.B. in der Schule, wenn Lehrer mir hilfreich waren. Oder Menschen, die mich eine Wegstrecke begleitet haben und ich von ihnen genommen habe.

Ein sehr einfacher Ausgleich für mich ist: das Genommene an andere weitergeben. Auch wieder in vollem eigenem Bewusstsein und vor allem Gefühl. Ein Gspür dafür bekommen, wann es ausgeglichen ist, weil es subjektiv und individuell ist.

Rückblickend auf mein Leben kann ich viele Lehrer und Mentoren wahrnehmen, die mich unterstützt und weitergebracht haben. Und ich damals sehr froh darüber war.

Manchmal kommt es bei mir auch vor, dass ich von Kunden während eines Einzel-Termins oder Aufstellung eine Erkenntnis oder eine Idee zu einer Lösung bekommen habe, die den gefühlten Wert des Honorars übersteigt. Bei solchen Begebenheiten gebe ich es anderen weiter. Solange bis mein Gefühl des Ausgleichs wieder stimmt.

Nun zur anderen Seite der Medaille oder wo Licht ist, ist auch Schatten oder das Lernen beginnt jetzt oder, oder, oder …

Wenn es noch nicht ausgeglichen ist.

Es gibt Menschen, die nicht den vollen Preis zahlen wollen, können … D.h. sie haben mehr genommen und das Gegenüber „musste“ mehr geben.

Es gibt Menschen, die mehr geben, als der andere nehmen kann oder will. D.h. das Gegenüber „muss“ mehr nehmen als er kann oder will.

Ein Beispiel aus dem beruflichen Alltag einer Klientin. Sie erzählte von einer Kollegin, die viele ihrer Agenden für sie miterledigt hat. „Damit du eine Freude hast …; ich wollte es dir leichter machen …, der Chef hat schon schief geschaut, da habe ich es für dich gemacht.“ Nannte sie als Beispiele, wenn die Kollegin „aktiv“ für sie war. Irgendwann wurde es der Kollegin doch zu viel und sie beschwerte sich beim Chef, dass ihr meine Klientin nicht half und sie alles machen musste.

Meine Klientin bekam die Aufgabe, als ersten Schritt, um den Ausgleich in eine Balance zu bringen, herauszufinden was sie ihrer Kollegin geben kann und dabei sehr kreativ sein. Wichtig dabei war die Umsetzung, um herauszufinden, wie sich die „Nehmer-Qualitäten“ der Kollegin gestalten.

Es hat funktioniert. Zuerst war ein kleiner Blumenstrauß, dann immer wieder etwas für das Frühstück. Während der Gespräche fand sie noch viel heraus, welche Geber-Angebote sie noch stellen konnte. Nach einigen Wochen war die Balance zwischen Nehmen und Geben wiederhergestellt. Auch wenn die Kollegin immer noch manchmal die Geber-Laune mit ihr durchgeht, so haben sie jetzt auch eine Gesprächskultur entwickelt, die deutlich macht, wann es angemessen ist und wann nicht.

 

 

Ausgleich in einer Paarbeziehung

Wenn ich vom Partner nehme, gebe ich etwas mehr zurück. Wenn das gegenseitig passiert wird die Beziehung gestärkt, gefördert und bleibt in einer guten Balance des Gebens und Nehmens.

Für das gute Gelingen ist die Sprache das Bindeglied. Warum? Um genau das zu geben, was für den Partner als Ausgleich auch angenommen werden kann, bedarf es der Frage.

Hätte ich damals in meiner Partnerschaft von diesen Dynamiken schon gewusst, wäre die Beziehung und die Trennung wahrscheinlich mit weniger Drama verlaufen. Bzw. je nachdem in welchem Stadium ich dieses

Wissen kennengelernt hätte, wären wir uns, auf Grund der Resonanzen, vermutlich gar nicht sympathisch gewesen. Nur so als Gedankenspiel :-).

Fragen. Fragen als Geheimnis einer ausgeglichenen Beziehung. Fragen nach den kleinen und großen Wichtigkeiten meines Partners, meiner Partnerin und dann Angebote des Gebens unterbreiten. Der Partner, die Partnerin kann spüren, ob sie es annehmen kann, ob es dem Ausgleich dient oder nicht.

Dem Ausgleich, durch Geben und Nehmen, Bedeutung geben, ist in meiner Wahrnehmung eine schöne Möglichkeit Beziehungen zu gestalten. Egal ob beruflich, partnerschaftlich oder persönlich.

Deshalb,
vielen Dank an meine vielen Mentoren*innen und Lehrer*innen. Heute kann ich mit Frieden meine Vergangenheit spüren und Freude in meiner Gegenwart zulassen und so fühle ich mich frei für meine Zukunft.

Als Hauptbasis für mein systemisches Tun, dienen und dienten mir die vielen Ausführungen und Lehren von Bert Hellinger zu diesem Thema.

 

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