Ins Tun kommen
Mein systemischer Blickwinkel
Menschen wurden früher von außen gesteuert,
heute orientieren sich Menschen aus dem Inneren heraus.
Dr. Gerald Hüther
Mehr desselben oder im Hamsterrad laufen oder in der Komfortzone bleiben oder an Gewohnheiten festhalten …
Egal wie ich es nenne, im Grunde köchle ich immer in derselben Suppe, wenn ich in diesem Verhaltensmuster unterwegs bin. Wenn die Suppe gut schmeckt: perfekt. Nur – was ist, wenn nicht? Neues auszuprobieren ist, aus meiner Praxiserfahrung, für manche Menschen mit negativen Emotionen verknüpft. Wenn sie es dennoch tun und es dann gelingt, sind die Freude und das Wohlgefühl sehr motivierend, weiterzumachen. Je mehr ich mit meinen Klient:innen das Dranbleiben trainiere, insbesondere bei Rückschlägen und bei Fehlern, die passieren, desto lockerer und spaßiger wird der Weg. Ja, Rückschläge kommen, Fehler passieren. Wenn ich an meinen eigenen Weg zurückdenke, wie viel ich ausprobiert habe und wie viel nicht gelungen ist, weil meine Entwicklung noch nicht so weit war oder weil die Idee einfach nicht praxistauglich war oder oder oder … Und trotzdem ist es gut weitergegangen.
Immer wieder begegnet mir in meiner Aufstellungsarbeit die Tendenz, den eigenen Weg mit dem Verstand zu steuern. Damit meine ich den Weg zum Ziel; den Weg, die eigenen Bedürfnisse umzusetzen; den Weg in den eigenen Frieden, die eigene Freude, die eigene Freiheit. Die Ziele sind unterschiedlich definiert und reichen von einer gelungenen Partnerschaft über beruflichen Erfolg bis dazu, Kinder gut ins Leben zu begleiten.
Wenn der Verstand den Weg steuert und das Gefühl oder die Emotion außen vor lässt, verlieren die beiden die Augenhöhe. Augenhöhe zwischen Verstand und Emotion/Gefühl. Oft liegt zwischen den beiden Angst und das geht auf Kosten des Gefühls, das dabei unterdrückt wird.
Ein häufig verwendetes unbewusstes Verhaltensmuster dazu ist, exzellente Umgehungsstrategien zu entwickeln. Ein Umgehen der eigenen emotionalen Verletzungen, weil der Schmerz unüberwindbar scheint. Eine Klientin beispielsweise – sie möchte endlich eine Partnerschaft: Ihr Weg führte sie über Schönheits-OPs und exzessives körperliches Training – denn sie glaubt schön sein zu müssen, erst dann ist sie für den Mann interessant.
Oder eine Teilnehmerin aus der BusinessZeit (Training, wenn es um wirtschaftliche Belange geht: https://elisabethwalter.com/businesszeit/) – sie möchte mehr Kund:innen: Die Aufstellung zeigt ihre emotionale negative Verknüpfung zu Geld. Sie ist in einer Familie aufgewachsen, wo Geld immer sehr knapp war. Mit ihrem eigenen Business möchte sie ihr eigenes Geld verdienen und endlich unabhängig sein. Die Repräsentantin für „Geld“ spiegelte die Geldängste. Angst, dass das Geld nicht ausreicht. Angst, dass sie es nicht schaffen kann. In diesem Resonanzfeld agierend, hat sie viel dafür getan, viel gelernt, viele Ausbildungen gemacht und damit den Weg zu den Emotionen vermieden.
Mit emotionaler Verknüpfung meine ich Triggerpunkte, emotionale Auslöser, die mich emotional an eine eigene unschöne oder schöne Erfahrung aus meinem bisherigen Leben erinnern. Ich denke da an ein Erlebnis von mir: An einem Aufstellungstag wurden alle Teilnehmer:innen mit einem Kartoffelgulasch kulinarisch verwöhnt. Kartoffelgulasch ist meine absolute Lieblingsspeise und ich fühlte mich wie damals als Kind, wo ich es auch schon genossen habe.
Nun beschäftige ich mich schon wirklich sehr lange mit dem Thema „Mensch“. Ich wollte immer schon verstehen, warum wir so ticken, wie wir ticken … Insbesondere wollte ich verstehen, warum mir das passiert ist, was mir passiert ist.
Neben vielen anderen Lehrer:innen war und ist mir Dr. Gerald Hüther dabei ein guter Lehrer, wenn es um mein Denkorgan geht. Ich beziehe mich auf ein Beispiel aus einem Vortrag von ihm: „Gelassenheit hilft – Anregungen für Gehirnbenutzer“. Hier erzählt er von wissenschaftlichen Versuchen, die lange kein Ergebnis brachten. Dann führte ein Student die Wende herbei, indem er von einer ganz anderen Wahrnehmung aus, einen Versuch durchführte und dieser gelang.
Es ist sehr spannend für mich zu hören, wie sich die Forschung so entwickelt hat – wie intensives Arbeiten mit viel Geduld und Ausdauer ein Verstehen entstehen lässt und doch manchmal der Zufall eine große Wende bringen kann. Wenn wir bereit sind, die eine oder andere feste Vorstellung gehen zu lassen.
Das erinnert mich an mich, wenn ich schon lange an einem Thema arbeite und eigentlich für mich kein Erfolg sichtbar wird. Wenn ich mich dann für eine Aufstellung entschließe und mein blinder Fleck sichtbar wird. Und dann sage ich zu mir gerne mal: „Das hätte ich auch schon früher haben können …“
Eine „Informations-Möglichkeits-Überforderung“
In der Theorie sind manche Klient:innen perfekt. Theoretisch wissen sie, was sie zu tun hätten. Im Lärm der vielen Theorien und Meinungen von anderen kann es passieren, dass Verwirrung entsteht, dass Orientierung verloren geht, dass das „G’spür“ zu sich selbst verschwindet. Oft eine Folge von erlebter Bewertung, Abwertung und Vorwürfen in der Kindheit. Dann ins Tun zu kommen, kann sich zu einer ausgewachsenen Herausforderung entwickeln. Aus diesem „Zuviel“ kann eine Denk-Überforderung entstehen oder Stress, Druck und Angst können das Denksystem schwächen, an dem die Klient:innen sich bisher festgehalten haben.
Das heißt, ab in die Reduktion der Komplexität – aber wie geht das? Wie kann ich dieser Reizüberflutung entkommen? Tja, ich denke, Individualität kommt hier zum Tragen. Denn nicht jede Strategie passt zu jedem Menschen. Meine persönliche Strategie ist „nix tun“, damit meine ich, zu diesem Thema mal wirklich nichts, rein gar nichts tun. Ich habe beispielsweise begonnen, Schach zu lernen, ein so tolles Spiel … Seit ich ein Kind war, wollte ich es schon lernen. Jedenfalls habe ich geübt, geübt und geübt, dann kam ein Moment, da ging gefühlt gar nichts mehr weiter. Also Pause, etwas anderes tun. Wie lange? Das ist auch so eine „G’spür-G’schicht“. Nach einer für mich passenden „Nix-tu-Zeit“ die Erkenntnis: Siehe da, meine Wahrnehmung hatte sich verändert. Plötzlich sah ich Konstellationen, die ich vorher nicht gesehen hatte.
Methoden und Strategien gibt es viele – nur welche passt zu mir? Aus diesem Grund habe ich mein Buch „Die Kraft des Dranbleibens“ Es soll helfen, sich in der eigenen Individualität auszuprobieren. Hier können meine Leser:innen aus 50 Methoden jene wählen, die zu ihnen passen.
Ziele – Wünsche – Visionen + Wirklichkeit
Erfolg hat drei Buchstaben: „TUN“
Johann Wolfgang von Goethe
Und hier schließt sich für mich wieder ein Kreis. Es geht um Ziele, Wünsche, Visionen, die Wirklichkeit werden wollen.
In meiner Welt gibt es unzählige Wege, einem Ziel entgegenzugehen. Nur, welcher davon passt zu mir? Mit welchem fühle ich mich wohl? Welches Wissen über mich selber ist hilfreich und nützlich?
Zum Beispiel: Reflektion über das Verhalten, bei Stress, bei Glück, bei Angst. Der Umgang mit Zeit. Wie werden Ideen umgesetzt? Mit aktivem Herangehen oder vorherigem Abwägen möglicher Eventualitäten? Welchem Impuls folge ich wann? Dem von außen oder dem eigenen inneren? Wie formuliere ich meine Sätze? Eher mit vielen Nichts und Neins und Muss oder mit wohlwollenden Formulierungen? Wie sieht es mit dem Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten aus? Und und und …
Eine Klientin hat nach einer sehr intensiven Trainingsphase folgenden Satz gesagt: Langsam verneige ich mich vor der Kraft meiner Gedanken.
Was ist passiert, dass dieser Satz entstanden ist? Für mich ein wunderschöner Satz, der beginnendes Vertrauen zu sich selbst ausdrückt, dem die Bereitschaft zur Veränderung vorausgegangen ist, im Sinne von: Ich mache etwas anders.
In diesem Fall wurde vorher eine große emotionale Last verarbeitet und dadurch wieder Platz und Raum für Neues geschaffen. Die Klientin hat ihr Ziel – eine Partnerschaft auf Augenhöhe – für sich definiert und hineingefühlt, ob es sich auch gut anfühlt, und dann hat sie die nötigen Veränderungen Zug um Zug umgesetzt. Begonnen hat sie mit dem emotionalen Schmerz, der sie schon seit ihren Kindheitstagen begleitete, und dann an ihrem neuen Verhalten gearbeitet: eine emotional erwachsene Frau sein.
Zusammengefasst heißt das für mich: Ich habe ein Ziel, das sich gut anspürt – dann räume ich all die „Steine“ weg, die zwischen mir und dem Ziel liegen. Wenn ich das Gefühl zum Ziel zwischendurch mal verliere, gehe ich zurück zum Start, hole mir das gute Startgefühl wieder und beginne erneut. Und irgendwann – plötzlich: Ziel erreicht! Das heißt, dem Ziel entgegengehen, mit einem guten Gefühl und mich um den Weg kümmernd. Frei von festen Vorstellungen über den Weg.
Netzwerke im Denksystem – jedem Thema sein Netzwerk
Nur wer seinen eigenen Weg geht, kann von niemandem überholt werden.
Marlon Brando
Dieser Satz – „Langsam verneige ich mich vor der Kraft meiner Gedanken“ – wurde auch dadurch möglich, dass die Klientin begonnen hat, in ihrem Hirn ein neues Netzwerk zu bauen. Sie ist über ihre eigenen Grenzen gegangen, hat quasi die Komfortzone verlassen (in der sie sich sowieso nie wohlgefühlt hat, aber die Angst rauszugehen war größer).
Ich nenne dieses neue Netzwerk „neues Leben“. Der Weg für die Klientin begann noch einmal bei ihrer Angst, als sie ca. vier Jahre alt war, und beim tiefen emotionalen Schmerz des „Alleingelassen-Seins“, der ihr bisheriges Leben gelenkt hatte. Gelenkt insofern, als sie sich nicht als gleichwertiger Mensch gefühlt hat, als sie nicht zu ihren Werten und Bedürfnissen gestanden ist, als sie die Beziehung zu sich nicht gelebt hat.
Der neue Weg war noch unbeschrieben, quasi ein weißes Blatt Papier. Sie hat ihn mit ihren Werten beschrieben, sie hat begonnen, ihre Werte umzusetzen. Einer ihrer Werte war z. B.: „Ich mag mich. Mich zu mögen ist mir wichtig.“ Damit hat sie ein neues Netzwerk im Denksystem eröffnet. Das Training begann, sodass dieser Wert auf alle ihre Lebensbereiche wirken konnte. Beim Miteinander mit dem Partner, den Kindern, den Kolleg:innen, den Freund:innen …
Oft wird von Klient:innen nörglerisch bemerkt: „Das Thema haben wir schon angeschaut, wie oft kommt es noch?“ Tja, das weiß man nicht. Es kommt drauf an, welchen Anspruch man an sich selber hat und wie schnell die neuen Netzwerke trainiert und dadurch im Alltagsleben etabliert werden. Meine Empfehlung dazu an meine Klient:innen: Darauf achten, in welchen Abständen das alte Netzwerk, das alte Muster aktiv wird. Werden die Abstände größer – hurra!!
Behinderungen für unser Denksystem
Im Beispiel dieser Klientin war die Erfahrung des Alleinseins mit vier Jahren ein schockierendes Lebensereignis. Ein Ereignis, das plötzlich und unerwartet passierte, das die körpereigene Alarmanlage in Gang gebracht und das Denksystem für Momente außer Betrieb gesetzt hat.
Im Laufe der Jahre hat sie ein Vermeidungsverhalten der Extraklasse entwickelt. Sie wollte nie wieder allein sein, sie wollte nie wieder diesen emotionalen Schmerz des Verlustes erleben. Mittlerweile ist diese traumatische Erfahrung so weit noch einmal durchlebt, dass sie zwar als Erinnerung noch da ist, jedoch im Alltag den Schrecken verloren hat und somit das Denksystem aktiv bleibt. Wenn sie heute wieder in stressige Situationen kommt, kann sie unterscheiden, in welchem Erregungszustand sie gerade ist: in einem Erregungszustand, wo sie einfach nur nörgelt, grantelt und jammert oder sie in ein Kind-Verhalten wechselt (trotzig sein, Türen zuschlagen …), oder in einem Zustand, in dem das „Notfallprogramm“ (Angriff – Flucht – Erstarrung) aktiv ist.
Was mag das Hirn?
Wann ist es motiviert?
Der einzige Weg,
großartige Arbeit zu leisten,
ist diese zu lieben
Steve Jobs
Instinktiv habe ich in meiner persönlich tiefsten Krise beschlossen, dass ich nur noch Dinge machen werde, die mir Spaß bereiten, weil mein vorheriges Tun offensichtlich nicht zum Erfolg geführt hat, sondern ich, ganz im Gegenteil, an einem richtigen Tiefpunkt gelandet bin.
So hat mein Weg der Veränderung begonnen. Auf diesem Weg habe ich trotzdem nicht nur spaßige Dinge erlebt und gemacht und erfahren. Ich war mit meinen tiefsten Ängsten konfrontiert, war streckenweise überfordert und orientierungslos. Trotzdem gab es viele glückliche Momente, unerwartete Unterstützungen, Menschen um mich herum, die respektvoll und wohlwollend meinen neuen Weg begleiteten.
Und das liebe ich auch an meinem Tun – Menschen dabei zu trainieren, dass ihr Tun mit einem guten Gefühl gekoppelt ist. Dass die Tätigkeit Freude macht, inneren Frieden bringt und sich das Gefühl von Freiheit entwickelt. Dass ihr Tun ein Wofür hat, einen Sinn ergibt und mit Vertrauen untermauert ist.
Was sind deine Träume, Wünsche, Visionen, die dein Leben ausfüllen sollen, und was davon ist schon Wirklichkeit geworden? Welche Wege waren für dich passend? Was hat dich dabei unterstützt?
Liebe Grüße und frohes Dranbleiben
Elisabeth Walter
die Aufstellerin
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